Myrkras neue Perspektive auf Wärme, Weitblick und das Ankommen
Veröffentlichung: 17. Mai 2025
Nach dem luftig-schwebenden Skýjum folgt nun mit „Framsýni“ der direkte, aber geerdete Begleiter – ein Album, das weniger abhebt, sondern ankommt. Der Titel bedeutet auf Isländisch „Weitblick“, doch Myrkra zeigt hier nicht nur einen Blick in die Ferne, sondern lädt dazu ein, das Leben in all seinen Nuancen bewusst wahrzunehmen: mit offenen Augen, einem wachen Herzen – und einem wärmenden Sound.
Das Cover zeigt es bereits: Ein Sonnenuntergang am Strand, Fußspuren führen vom offenen Meer her auf die Hörer:innen zu. Es ist nicht nur ein Bild – es ist ein Versprechen. Dass jeder Schritt zählt. Dass auch gebrochene Spiegel wieder Licht reflektieren können. Dass man, trotz aller Kälte, an einem Ort der Geborgenheit landen kann. Framsýnierzählt von eben dieser Reise – in 19 eindrucksvollen Tracks.
Wo Skýjum noch über den Wolken schwebte, kommt Framsýni zurück auf festen Boden. Doch ohne seine Leichtigkeit zu verlieren. Aquarellartige Synthesizerflächen, dezent gesetzte Beats und feinfühlige Vocals fügen sich zu einem Werk, das die goldene Stunde musikalisch einfängt – das flüchtige, zarte Licht kurz bevor der Tag endet. Es ist ein Album über Übergänge, über das Loslassen, das Hoffen und das innere Wiederfinden.
Ein isländisches Ausnahmetalent mit emotionalem Feingefühl
Framsýni ist mehr als ein Chill- oder Electronica-Album – es ist eine musikalische Umarmung. Trotz des isländischen Ursprungs klingt hier nichts unterkühlt oder distanziert. Jeder Titel öffnet eine andere Tür, erzählt von Sehnsucht, Stärke, innerem Aufruhr – und tiefer Hoffnung. Es ist eine Musik für alle, die nicht aufgeben wollen. Und für alle, die gelernt haben, dass man manchmal durch die Dunkelheit muss, um das Licht neu zu sehen.
Tommy Warzecha ist auf drei Features präsent („Langt undir jörð“, „Ég er Ég“, „Brennandi Landslag“) – und bringt seine unverkennbare Handschrift mit ein, ohne den zarten Sound zu überdecken. Besonders „Ég er Ég“ ist eine Hymne auf Selbstakzeptanz, während „Brennandi Landslag“ wie ein glühender Sonnenuntergang musikalisch pulsiert – beides vorab als Appetizer erschienen.
Mit Unterstützung von Trust Shadow im Song „Þú Getur Ekki Þvegið Burt Húðflúr“ („Du kannst kein Tattoo abwaschen“) wird die Emotionalität sogar noch vielschichtiger. Es sind Momente wie diese, die Framsýni zu einer reiseähnlichen Erfahrung machen – nur eben mit beiden Füßen im Sand.
Thematisch verortet: Hoffnung, Identität und menschliche Tiefe
Von „Brotinn spegill“ (Zerbrochener Spiegel) bis „Frosin tár“ (Gefrorene Träne): Die Tracktitel erzählen bereits von inneren Kämpfen, vom Fallen und Wiederaufstehen, von Isolation und Nähe. Aber Framsýni bleibt nie stehen im Schmerz – es streckt sich immer dem Licht entgegen.
„Mér líður vel“ (Mir geht es gut) wirkt fast wie ein innerer Anker. „Skref fyrir skref“ (Schritt für Schritt) zeigt, dass es nicht immer große Sprünge braucht. Und „Ferð í Tíma“ (Reise durch die Zeit) spielt gekonnt mit Retro-Elementen und emotionaler Tiefe.
Es ist ein Album, das nicht laut sein muss, um zu berühren. Es bleibt. Und klingt lange nach.
Fazit: Musik, die dich an der Hand nimmt
Mit Framsýni gelingt Myrkra ein Album, das gleichzeitig feinfühlig und stark ist. Ein Album, das einem den Sonnenuntergang nicht nur zeigt, sondern fühlen lässt. Zwischen elektronischer Wärme und sphärischem Detailreichtum öffnet sich ein musikalischer Horizont, der Mut macht.
Wer sich auf diese Klanglandschaft einlässt, wird nicht enttäuscht. Sondern getragen.